Knödel, Kraut und Krustebraten

Es dampft, es brodelt, kocht und brät – wer schon einmal einen mittelalterlichen Markt besucht hat, selbst dem Lagerleben frönt oder gar historisch vollgerüstet, vollversiert und vollgewandet ist, weiß, wovon ich spreche. Es geht nicht um einen Dampfgarer – nein, wir lieben es, wenn das Sauenfett trieft, das Kraut braun wird und die Kartoffel….. halt…..… wenn die Knödel aneinander kleben. Wenn du dich fragst, was ich gegen Kartoffeln habe, solltest du unbedingt weiter lesen.

Küche, Kräuter, Zauberey soll Einblick ins kulinarische und handwerkliche Mittelalter gewähren.

Viel Freude beim metaphorischen Eintauchen in Kochtopf, Bratenfett und die Vergangenheit mit einem Leben ohne Punkte, Sterne, Druckknopf und künstliche Aromastoffe

Magistra furiosa

Montag, 14. Mai 2012

Huhn zum Nachtisch - Blamensir

Das erste Mal ist ein kulinarischer Schock für den neuzeitlichen Mitteleuropäer: Hühnchen im Pudding - das ist kurios und stammt mit Sicherheit aus Asien.
Ganz falsch ist die Annahme nicht - ganz richtig aber auch nicht. In der Türkei heißt das Gericht Tavuk göğsü (Hühnerpudding mit Zimt) und hat nach wie vor, wie mancherorts auch Hühner-Eiscreme, eine feste Position in der Küche des nahen Orients. Die Wurzeln des Gerichtes Blamensir liegen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Orient - dass es über die Kreuzzüge seinen Eingang in die mittelalterliche Küche gefunden hat, scheint plausibel.
Das sogenannte Blamensir - mancho blanco/ Blancmanger - die "weiße Speise" wird, so darf aufrgund der Zutaten gemutmaßt werden, als Rezept aus der Rubrik der "Herrenspeise" auch im "Buoch von guoter Spise" genannt, schon das dritte Rezept, gefolgt von Varianten an späterer Stelle, gibt die Anweisung zum Kochen des Blamensirs (die "Übersetzung" folgt anschließend) und ist definitiv nichts für Vegetarier oder Menschen, die das Ungewohnte fürchten:


3. Wilt du machen einen blamensier. [4]
Wie man sol machen einen blamenser. Man sol nemen zigenin milich. und mache mandels ein halp phunt. einen virdunc ryses sol man stozzen zu mele. und tu daz in die milich kalt. und nim eines hunes brust, die sol man zeisen.[5] und sol die hacken dor in. und ein rein smaltz sol man dor in tun. und sol ez dor
inne sieden. und gibs im genuc. und nimme ez denne wider. und nim gestozzen violn, und wirfe den dor in. und einen vierdunc zuckers. tu man dor in und gebs hin. Also mac man auch in der vasten machen einen blamenser von einem hechede.

Quelle:  http://de.wikisource.org/wiki/Das_Buoch_von_guoter_Spise

Die hier genannten Zutaten sind:
  • Ziegenmilch
  • ein viertel Pfund Mandeln
  • ein viertel Pfund Reis, zu feinem Mehl gestoßen
  • eine zerrissen Hühnerbrust ("zeisen" bezeichnet das Zerreißen in sehr kleine Stücke und dünnste Fädchen, so dass die Struktur des Fleisches nicht mehr erkannbar ist)
  • geklärter Schmalz
  • Veilchen (zersoßen) und 
  • Zucker
  • (die Sache mit dem Hecht am Schluss ist diese: wer während des Fastens nicht auf die vergleichsweise gehaltvolle Speis verzichten wollte, bereitete sie mit einem Hecht zu.... ob das noch lecker war?) 
Alle Zutaten zusammen ergeben, wenn man die Menge der Milch angepasst an das zum Binden verwendete Reismehl als auf einen bis eineinhalb Liter berechnen mag,eine puddingartige Masse, die noch mit Gewürzen der Wahl ergänzt werden konnte. Da im Orient nach wie vor der Zimt eine zentrale Rolle spielt, ist naheliegend, dass er auch bei dieser Süßspeise Verwendung fand.

Um ganz sicher zu gehen, dass der Pudding gelingt, anbei noch ein Rezept aus der Türkei:
  • eine Hühnerbrust
  • ein Liter Milch
  • 200 Gramm Sübiye (Reismehl)
  • 150 - 200 Gramm Zucker
  • 1 Päckchen Vanillezucker (oder echte Vanille)
  • gerne wird der Pudding mit Zimt bestäubt oder gewürzt
  • 1 El Butter
Die Hühnerbrust mit Wasser bedecken und gut durchkochen, danach die Fasern möglichst klein reißen, im Zweifelsfall noch einmal mit dem Mixer bearbeiten.
Die Milch aufkochen und das Reismehl, Butter und den Zucker hinzugeben, ca. eine Viertelstunde köcheln lassen - und stets umrühren, sonst brennt das Gericht schnell an!
Die Fleischfasern hinzugeben, mit Rosenwasser und evtl. Zimt abschmecken.

Dieser "weiße Brei" kann entweder sogleich gegessen werden oder in einer Pfanne mit Fett und karamellisiertem (nicht angebranntem!) Zucker kurz ausgebacken werden.

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